Rück- und Ausblick: Ehrenamt

Interviewreihe zum 40. Geburtstag von Weltladen Augsburg und Werkstatt Solidarische Welt e.V. 

Zum Thema Ehrenamt mit Martha Regnet und Judith Schröer, ehrenamtliche Mitarbeiterinnen im Weltladen Augsburg

Henriette Seydel, Werkstatt Solidarische Welt e.V.: Liebe Judith, liebe Martha, seit wann engagiert ihr euch im Weltladen Augsburg und warum?

Judith: Ich arbeite seit 2018 ehrenamtlich im Weltladen mit, seit 2019 bin ich im Vorstand der Werkstatt Solidarische Welt e.V.. Ausschlaggebend waren meine Auslandsaufenthalte in Guatemala und Peru, wo ich mich mit der Situation lateinamerikanischer Kleinbäuer*innen auseinandersetzte. Zum Weltladen kam ich dann über eine Freundin. Das Ehrenamt ergänzt sich auch super mit meinem Studium der anwendungsorientierten interkulturellen Sprachwissenschaften.

Martha: Ich bin von Anfang an dabei, habe mich also 40 Jahre ehrenamtlich im Weltladen engagiert. Auch bei mir war eine Auslandsreise ausschlaggebend: Wir haben in Brasilien Freunde besucht und wurden dort mit ganz anderen Lebensumständen konfrontiert. Zurück in Deutschland beschlossen wir – nach dem Vorbild von Ulm und Stuttgart – auch einen Weltladen zu gründen.


Martha Regnet, ehrenamtliche Mitarbeiterin von der ersten Stunde an zur Gründung des Weltladens 1980: „Wichtig war von Anfang an, dass wir immer diskutieren, reflektieren und Partizipation groß geschrieben wird. Ja und dann haben wir gedacht: »Mei, jetzt probieren ma’s!«“


 

Wie kann man sich die Anfänge der Weltladenbewegung vorstellen?

Martha: Wir waren alles junge Menschen, viele Frauen mit Kindern, und ein breites, buntes Bündnis aus evangelischer und katholischer Jugend und anderen Vereinen. Wichtig war von Anfang an, dass wir immer diskutieren, reflektieren und Partizipation groß geschrieben wird. Ja und dann haben wir gedacht: »Mei, jetzt probieren ma’s!«.  Bei der Umsetzung unserer Pläne hatten wir auch Glück. Zum Beispiel konnten wir den ersten Laden in der Steingasse relativ günstig mieten, weil der Besitzer seinen Teppichladen verkleinern wollte. Die Waren haben wir anfangs aus Stuttgart geholt, das Angebot wurde immer weiter ausgebaut. Außerdem gab es viele einzelne Kirchengemeinden, die faire Produkte verkauften, denn gerade im Umland kommt man nicht täglich nach Augsburg. Der Weltladen wuchs kontinuierlich, dann gab es irgendwann Zivis und schließlich Hauptamtliche, die die Arbeit koordinierten und unterstützten. Wichtig waren auch immer schon die Bildungsarbeit und Veranstaltungen.

Was hat sich über die Zeit verändert?         

Martha (lacht): Mein Gott, alles ist anders! Der Kaffee schmeckt nicht mehr bitter, sondern hat eine hervorragende Qualität. Am Anfang gab es nur die Klassiker zum Verkauf: Kaffee, Tee, Reis. Jetzt gibt es auch viel Kunsthandwerk und Textilien, das finde ich toll. Ich denke, das Bewusstsein vieler Verbraucher*innen hat sich gewandelt.


 

Judith Schröer, Vorstand des Werkstatt Solidarische Welt e.V und Weltladenmitarbeiterin seit 2018: „Ehrenamt bedeutet für mich: Bewusstsein schaffen, konkret für gerechte globale Handelsstrukturen einsetzen und natürlich Spaß!“


Weltladendienstler*innen kümmern sich ehrenamtlich um den Verkauf der fairen Produkte und haben viele weitere Aufgaben: Kaffee mahlen, Bananen wiegen, beim Kleider- und Schmuckkauf beraten oder aufräumen. Sie sorgen dafür, dass sich die Kund*innen wohlfühlen und gerne im Weltladen einkaufen. Was bedeutet euch euer Ehrenamt?

Judith: Spaß und nette Menschen!

Martha: Ich mag das Verkaufen und das Informieren. Ich finde es wichtig, den Kund*innen das Hintergrundwissen zu ihrem Produkt zu vermitteln, denn im Weltladen kommen alle Themen zusammen: Globalisierung, Armut, Hunger, Flucht, Klimawandel.

Judith: Genau! Ich finde es auch sehr wichtig, dass durch die Bildungsarbeit im Globalen Norden ein Bewusstsein geschaffen wird. Das Engagement im Weltladen und Werkstatt lässt außerdem genug Handlungsspielraum: ich kann eigeninitiativ Ideen einbringen und umsetzen. Durch meinen Ladendienst setze ich mich konkret für globale gerechte Handelsstrukturen ein.

Was wünscht ihr euch, der Werkstatt und dem Weltladen für die Zukunft?

Judith: Kurzfristig wünsche ich uns, dass wir die Coronakrise gut überstehen, und dass bald wieder Veranstaltungen stattfinden können. Langfristig möchte ich noch mehr Menschen außerhalb unserer Blase erreichen und hoffe, dass die wertvolle Arbeit kontinuierlich von Ehrenamtlichen getragen wird. Es sollen sich noch mehr Leute engagieren und motiviert werden.

Martha: Ich stimme Judith zu, es kann nur mit Menschen wachsen. Außerdem muss das Bewusstsein stärker konkret umgesetzt werden! Ich bin manchmal enttäuscht, dass der Faire Handel nicht überall bekannt ist, oder die Menschen zu bequem sind. Ich würde mir wünschen, dass der konventionelle Handel mehr dazu gezwungen wird, faire Löhne zu zahlen und Menschenrechte zu achten, gerade bei Bananen, Kaffee und Kakao. Leider gibt es heutzutage viel Greenwashing. Der Weltladen Augsburg und seine Filialen setzen sich hingegen unermüdlich für eine bessere Zukunft für alle ein, Hut ab vor so viel Engagement!

Die Interviews führte Henriette Seydel

 


Ehrenamtlich Mitarbeiten im Weltladen Augsburg und bei der Werkstatt Solidarische Welt e.V. Wir suchen für unsere Weltläden in Augsburg, Bobingen, Dillingen und Friedberg ehrenamtliche Ladendienstler*innen, die einmal in der Woche für zwei Stunden eine Schicht Verkaufen und Beraten übernehmen. Darüber hinaus bilden sie sich fort, zum Beispiel bei Mitarbeiter*innentreffen und engagieren sich praktisch für den Fairen Handel. Sie können sich aber auch bei der Vorbereitung und Durchführung von Projekten wie beispielsweise dem Weltladentag, der Fairen Woche oder den Afrikanischen Wochen beteiligen, indem sie mitplanen, organisieren und am Veranstaltungstag selber mitmachen. Auch für die Öffentlichkeitsarbeit können Sie sich ehrenamtlich engagieren. Mehr Informationen gibt es unter www.weltladen-augsburg.de/mitmachen.


Im Mai 1980 haben engagierte Menschen den Weltladen Augsburg und die Werkstatt Solidarische Welt gegründet. Das sollte eigentlich im Frühjahr gebührend gefeiert werden – und muss nun doch erst einmal warten. Damit der Gründungstag trotzdem nicht sang- und klanglos vorübergeht, füllen wir alle digitalen Kanäle mit Glückwünschen und Hintergrundinfos und feiern. Jeden zweiten Freitag gibt es ein Interview mit Freund*innen, Mitarbeiter*innen und Weggefährten zu einem Thema, das uns bewegt – damals wie heute.

erstellt am: 25.09.2020 von Henriette Seydel

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