Rück- und Ausblick: Augsburger Engagement

Interviewreihe zum 40. Geburtstag von Weltladen Augsburg und Werkstatt Solidarische Welt e.V. zum Thema Lokale Agenda Augsburg mit Dr. Norbert Stamm, 1994-2001 Bildungsreferent bei der Werkstatt Solidarische Welt; jetzt Leiter des Büros für Nachhaltigkeit der Stadt Augsburg

Henriette (Werkstatt Solidarische Welt e.V.): Norbert, du warst 1994 bis 2001 Bildungsreferent bei der Werkstatt Solidarische Welt und arbeitest jetzt als Leiter des Büros für Nachhaltigkeit der Stadt Augsburg. Erzähl mal, wie war das damals?

Dr. Norbert Stamm (Leiter des Büros für Nachhaltigkeit der Stadt Augsburg): In den Neunzigern veränderte sich einiges. Das Thema Flucht und Asyl war so wichtig geworden, dass Matthias, Tommi und andere Tür an Tür gegründet haben. Den Verein Partnerschaft mit der Dritten Welt haben wir umbenannt zur Werkstatt Solidarische Welt. wir wollten klar machen, dass wir hier vor Ort in Augsburg an einer gemeinsamen gerechten Welt schrauben und basteln. Weltladen & Werkstatt initiierten 1996 dann als Keimzelle das erste Bürgerforum Zukunftsfähiges Augsburg, aus dem die Lokale Agenda 21 – für ein zukunftsfähiges Augsburg startete.

Und wo stehen wir, wo steht Augsburg jetzt?

Heute – 24 Jahre später – engagieren sich einige hundert Augsburger*innen in 29 Agendaforen, die verschiedene Nachhaltigkeitsthemen bearbeiten: Eine Welt, Ökologie, Geld, Gemeinwohlökonomie oder Mobilität. Gemeinsam mit Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft wurden Augsburgs Nachhaltigkeitsziele, die Zukunftsleitlinien für Augsburg, entwickelt. Seit 2006 gibt es den Augsburger Zukunftspreis, schon einige Jahre das Nachhaltigkeitsportal www.lifeguide-augsburg.de, seit 2017 eine Nachhaltigkeitseinschätzung für Beschlussvorlagen des Stadtrats. Inzwischen arbeiten auch vier Menschen hauptamtlich auf drei Stellen im städtischen Büro für Nachhaltigkeit.

Wettbewerb „Vorbildliche Bürgerbeteiligung!“ des Bundesumweltministeriums: Bei der Verleihung des Preises am 25.2.2020 in Berlin: Tom Hecht und Maria Brandenstein, ehrenamtliche Agendasprecher*innen der Lokalen Agenda 21 – für ein zukunftsfähiges Augsburg, Bundesumweltministerin Svenja Schulze und Dr. Norbert Stamm, Büro für Nachhaltigkeit mit Geschäftsstelle Lokale Agenda 21, Stadt Augsburg – von links nach rechts (Foto: BMU/Christian Laukemper)

Für ihr Engagement wurde die Lokale Agenda Augsburg unter anderem bundesweit mit dem Projekt Nachhaltigkeit 2018 ausgezeichnet und gewann 2020 den Wettbewerb Vorbildliche Bürgerbeteiligung! des Bundesumweltministeriums. Wie bewertest du die Arbeit der Lokalen Agenda heutzutage?

Klar, die Arbeit hat bundesweiten Vorbildcharakter! Das liegt zum einen an den vielen Foren und Themen, die wir bearbeiten, und zum anderen an den demokratischen und partizipativen Diskussionsprozessen. Ein Vorteil an städtischen Hauptamtlichen ist außerdem, dass Steuergelder statt mühsam beantragter Fördermittel zur Verfügung stehen, und somit finanzielle und zeitliche Ressourcen für einen ganzheitlichen Nachhaltigkeitsprozess vorhanden sind. Das Standing erlaubt es auf ganz andere Art und Weise die Kommunalverwaltung zu beeinflussen. Gleichzeitig ist es eine große Herausforderung, lokale Kommunalarbeit mit globaler Verantwortlichkeit unter einen Hut zu bringen. Weltweite Verflechtungen und eine Vielzahl an schweren Themen warten noch darauf, von uns bearbeitet zu werden. Da ist es sehr wertvoll, wenn wir weiterhin zivilgesellschaftliche Expert*innen haben, die ihre Fokusthemen voranbringen.

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Dass Augsburgs Zukunftsleitlinien weiterentwickelt und enger an konkrete Indikatoren gebunden werden. Es braucht ein strengeres Controlling, damit Nachhaltigkeit in der Kommunalverwaltung und der Stadtgesellschaft einschließlich Wirtschaft gelebt wird. Menschenrechte und Umweltschutz sollten eigentlich selbstverständlicher Standard sein! Der Werkstatt Solidarische Welt wünsche ich, dass ihr die Puste nicht ausgeht, und sie weiterhin mit vielen Aktiven und Engagierten globale Zusammenhänge aufzeigt, über Ungerechtigkeiten aufklärt, mit viel Energie den Fairen Handel ausweitet und die Eine Welt-Perspektive noch stärker überall einbringt!


Die Lokale Agenda 21 – für ein zukunftsfähiges Augsburg ist Augsburgs Nachhaltigkeitsprozess. Mit dabei sind Umwelt- und Eine-Welt-Gruppen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, kirchliche Gruppen, Vertreter der Wirtschaft, der Stadtverwaltung und andere Organisationen. Gemeinsam arbeiten sie für eine zukunftsfähige und lebenswerte Stadt Augsburg. Der Werkstatt Solidarische Welt e.V. arbeitet in folgenden Agendaforen mit: Forum Eine Welt, Steuerungsgruppe Fairtradetown, AG Bildung und Nachhaltigkeit. Mehr Infos: Büro für Nachhaltigkeit / Geschäftsstelle Lokale Agenda 21, Maximilianstraße 3, 86150 Augsburg; Webseite: www.nachhaltigkeit.augsburg.de; Telefon: 0821 324-7325; E-Mail: agenda@augsburg.de


Im Mai 1980 haben engagierte Menschen den Weltladen Augsburg und die Werkstatt Solidarische Welt gegründet. Das sollte eigentlich im Frühjahr gebührend gefeiert werden – und muss nun doch erst einmal warten. Damit der Gründungstag trotzdem nicht sang- und klanglos vorübergeht, füllen wir alle digitalen Kanäle mit Glückwünschen und Hintergrundinfos und feiern. Jeden zweiten Freitag gibt es ein Interview mit Freund*innen, Mitarbeiter*innen und Weggefährten zu einem Thema, das uns bewegt – damals wie heute.

erstellt am: 14.08.2020 von Henriette Seydel

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